Leseprobe
Vorwort zum ersten Abenteuer
Im ersten Abenteuer, das sich in Niederbayern zuträgt, zieht im Winter 2012 die fünfköpfige Familie Halsbruch in ihre neue Behausung. Trotz aller Vorwarnungen der Dorfbewohner, es solle nachts auf dem längst verlassenen Bauernhof nicht mit rechten Dingen zugehen. Vater Halsbruch beruhigte seine Familie damit, dass dies nur dummes Geschwätz sei. Ein paar Neider, die selbst gerne auf dem Bauernhof wohnen würden. Doch schon in der ersten Nacht stellte sich heraus, dass wahr war, wovor die Dorfbewohner sie zu warnen versuchten.
Ob die Familie in dem Wohnhaus doch nicht allein ist? Dies wollten Daniel, Adam und Paul auf detektivische Art herausfinden. Zum Glück haben sie ja einen Schnappi, der ihnen bei der Aufklärung helfen wird.
Der unheimliche Bauernhof
Es war ein eiskalter Tag in Niederbayern. Seit Jahren wohl der kälteste überhaupt, als im Dezember 2012 vormittags der Umzugswagen mit der Werbeaufschrift GABLER UMZÜGE in der verschneiten Einfahrt des Bauernhofes langsam einrollte. Im LKW befand sich die fünfköpfige Familie Halsbruch mit ihrem Spitz Schnappi.
Der Bauernhof, der drei Kilometer außerhalb eines verträumten Dorfes einsam auf einem Berg stand und mit den beiden angrenzenden Nebenstallungen die Form eines Hufeisens darstellte, hinterließ nach außen schon einen unheimlichen Eindruck. Aber nicht, weil an verschiedenen Stellen des Wohnhauses schon der Verputz abbröckelte oder weil nur noch wenige Scheiben an einigen Fenstern heil waren. Nein, es lag ganz einfach an den dunklen, farblosen Gemäuern, die einem, sobald man sich ihnen näherte, sogleich den Schauer über den Rücken liefen ließen.
Die drei Detektive sprangen sogleich ungeduldig aus dem LKW. Sie wurden von ihren Eltern respektvoll so genannt, weil sie am letzten Wohnort ganz nach detektischer Art einen Einbrecher überführten, der sich jede Nacht stehts unerkannt in eines der umliegenden Häuser eingeschlichen hatte und irgendwelche wertvollen Gegenstände an sich nahm. Sie stellten sich in Winterkleidung mitten in den verschneiten Hof und beäugten, zitternd vor Kälte, zunächst einmal neugierig das Wohnhaus, an das ein heruntergekommener Kuhstall grenzte. Links davon gab es einen Heustadel mit einem Hühnerstall daran. Auch die baufällige Garage, an der eine morsche Holztür als Garagentor diente. Aber auch die rechts vom Wohnhaus halb so große Holz- und Gartenhütte. Hinter dem Wohnhaus, auf einer weitflächigen Wiese, auf der Schnee im Sonnenlicht wie unzählige Sterne glänzte, befanden sich verschiedene Obstbäume. Die drei Detektive freuten sich schon jetzt auf die Erntezeit. Kostenloses Obst schmeckte ihnen nämlich besonders gut. Obwohl der zehnjährige bullige Adam, der Mutigste und Zwölfler von den Dreien, sich im Sommer eher aufs Fußballspielen freute. Er war nämlich ein begnadeter Fußballspieler. Was ihm nur nicht viel half. Denn seine beiden Brüder, der elfjährige schlanke Daniel, der dominantere von ihnen, und auch der neunjährige hagere Paul, der gerne einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte, konnten sich so gar nicht für Fußball begeistern. Und so hatte Adam immerzu mit sich alleine gespielt, als die ganze Familie noch unten im Dorf gewohnt hatte. Der Lärm aber hatte stets die Mitbewohner gestört, wenn er den Ball ständig an eine Hauswand geschossen hatte. Doch das war ja nun vorbei. Hier würden die vielen Schüsse gegen die Wand niemanden stören. Na ja, außer vielleicht die Eltern, denn die waren deshalb auch immer gleich genervt.
Paul schien es jetzt plötzlich so, als stünde im ersten Stock vor einem der Fenster eine dunkle und unheimlich aussehende Gestalt. "He, da oben steht ein Mann!", rief Paul ganz erschrocken. "Wer? Wie? Wo? Was?", stotterte Daniel überrascht darüber die vier Worte heraus. Daniel und Adam drehten sich fast gleichzeitig herum und blickten sogleich hinauf zum Fenster. Schnappi tat es ihnen nach.
"Also ich sehe nichts", stellte Daniel fest.
"Ich auch nicht", meinte auch Adam.
Schnappi meldete sich laut mit einem "Wau!" Was hieß: Er könne auch niemanden entdecken.
"Klar, vorher hat dort aber jemand gestanden", war sich Paul sicher.
"Das wird wohl unser Hausherr gewesen sein", beruhigte der Vater, ein untersetzter und bulliger Brillenträger, seine Kinder.
"Wenn es der Hausherr ist, warum versteckt er sich dann hinterm Fenster und kommt nicht zu uns herunter, Papa?", wunderte sich Paul.
"Hmmmm...", kam ohne Erklärung aus des Vaters Mund. Dabei sah er Mutter Halsbruch an, eine zierliche, aber dominante Frau, die nur wortlos mit ihren Schultern zuckte.
Die drei Detektive wollten es nun doch genauer wissen. Sie eilten aufs Wohnhaus zu, und Adam öffnete die farblose und knarrende Holztür, an der sich in Augenhöhe ein kleines Sichtfenster befand. Schnappi sauste sogleich hinein. Unvermittelt wichen die drei Detektive einen Schritt zurück. Nicht wegen der Kälte, die sich seit vielen Jahren des Leerstehens darin eingenistet hatte. Sondern wegen dem entgegenkommenden, unangenehmen Geruch, der einem fast den Atem raubte und gleichzeitig verriet, dass dieses Haus schon lange nicht mehr durchlüftet worder war.
Doch die Neugierde, ob sich vielleicht doch ein unangemeldeter Fremder im Haus aufhielt, überwog den Modergeruch und die drei Detektive traten ein. Sie eilten auf dem kalten, steinigen Boden den Gang entlang und hielten gleichzeitig Ausschau nach der Treppe, die hinaufführte zum ersten Stock und sich gegenüber von der Tür zum Kücheneingang befand. Die drei Detektive stiegen nun die knarrende, abgenützte Holztreppe hinauf. Oben angekommen, wartete der Spitz schon ungeduldig auf seine drei Freunde. Alle gingen auf dem knarrenden Bretterboden auf das leerstehende Zimmer zu, in dem Paul jemanden gesehen haben wollte, und betraten es vorsichtig. Doch es war keine Menschenseele darin. Sodann durchsuchten sie auch die übrigen drei leerstehenden Wohnräume. Doch sie konnten auch darin niemanden entdecken.
"Tja, keiner hier, Paul", stellte Adam fest.
"Und wenn hier wirklich jemand war, ist er längst verschwunden", erweiterte Daniel kurz angebunden.
"Aber ich hätte schwören können, dass vorhin am Fenster jemand stand", war sich Paul immer noch sicher. Daniel und auch Adam glaubten ihm. Kannten sie doch den Adlerblick ihres jüngsten Bruders. "Na gut", meinte Daniel. "Dann stellen sich uns jetzt drei Fragen: Wer war diese Gestalt am Fenster gewesen? Warum hat sie sich uns nicht zu erkennen gegeben? Und wie konnte sie entkommen? An uns ist nämlich niemand vorbeigekommen. Stimmt´s?"
"Ist bei euch oben alles in Ordnung?!", rief vom Hof her die Mutter hinauf zu ihren Kindern. Womit sie unwissentlich die drei Detektive in ihren Überlegungen unterbrach.
"Ja, alles in Ordnung, Mama! Hier oben ist niemand. Paul muss sich getäuscht haben! Wir schauen uns nur noch kurz die Zimmer an. Danach kommen wir herunter und helfen euch beim Ausladen!", informierte Adam am offenen Fenster seine Mutter. "Hört mal zu", flüsterte Daniel. "Es ist wohl besser, wenn wir in den nächsten Tagen schön die Augen offen halten, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Versprochen?"
Seine Brüder stimmten ihm mit einem Kopfnicken zu. Und Schnappi konterte mit einem "Wau". Was hieß: Ja, versprochen. Daniel streckte jetzt seinen rechten Arm aus. Seine beiden Brüder wussten sogleich, was jetzt kam. Adam legte sogleich seine Hand mit der Innenfläche auf Daniel´s Handrücken. Paul tat es Adam nach.
Und damit auch der Spitz seine Pfote drauflegen konnte, gingen die drei Detektive in die Hocke. Dann erklang wie aus einem Mund einer ihrer allseits bekannten Sprüche:
"Drei Detektive, ein Schnappi und ein Versprechen!"
Nun sahen sie sich im Obergeschoss etwas genauer um, schließlich ging es darum, das beste Zimmer für sich auszusuchen. Sie bemerkten jetzt erst, dass in jedem Raum die Wände schief waren und die Decke leicht gewölbt.
"So heruntergekommen sehen die Zimmer wohl auch im Untergeschoss aus", murmelte Adam, der erst einmal immer auf alles unzufrieden reagierte.
"Mann, es ist eben ein altes Haus. Aber unsere Eltern haben sich auf so einem Bauernhof zu wohnen eben immer schon gewünscht", erklärte Daniel. Eines der drei leeren Zimmer, in dem die durch vier geteilten Fensterscheiben teilweise herausgebrochen waren, gefiel Daniel nun besonders gut, weil es schön geräumig war und genug Platz bot für drei Betten und noch einen großen Kleiderschrank dazu.
"Männer, dieses Zimmer gehört ab sofort uns", entschied er sogleich.
"Ja, mir gefällt es auch am besten", meinte Paul zustimmend, dem es aber eigentlich egal war, welches Zimmer sie besetzen würden. Außerdem war er meistens mit allem zufrieden, was sein ältester Bruder entschied. Nur Adam machte ein unzufriedenes Gesicht und rümpfte sich die Nase.
"Ich weiß nicht. Mich stört, dass hier keine Heizmöglichkeit gibt. Außerdem sind auch die Scheiben aus dem Fenster herausgebrochen. Da werden wir an den kalten Tagen ganz schön zittern vor Kälte", nörgelte Adam herum.
"Na und", meinte Daniel. "Dafür gibt es unten im Wohnzimmer und in der Küche nebenan Heizmöglichkeiten, wie Vater uns erzählte. Und wenn er im Haus erst einmal ein paar Verbesserungen vorgenommen hat, schaut es bestimmt bald wohnlicher aus".
"Na gut. Aber vielleicht sollten wir ..."
"Nichts sollten wir", unterbrach Daniel im dominanten Ton seinen Bruder.
"Das hier wird unser gemeinsames Schlafzimmer. Wirst seh´n, wenn es erst einmal schön eingerichtet ist, gefällt es auch dir". Adam erwiderte daraufhin kein Wort mehr und wollte sich im Gedanken überlegen, wie das Zimmer wohl eingerichtet aussehen würde. Aber dafür blieb jetzt keine Zeit, denn es mussten die Möbel aus dem Umzugswagen heraus und hinein ins Haus getragen werden. Schnappi hatte inzwischen in allen Ecken herumgeschnüffelt, so wie es sich eben für einen guten Hund gehört.
Nur auf dem Dachboden konnte er sich nicht umsehen, denn der war mit einer Falltüre verschlossen. Als die drei Detektive an der Dachbodentreppe vorbeikamen, fiel ihnen das sonderbare Verhalten vom Spitz auf.
Der saß knurrend und mit einem angespannten Gesichtsausdruck davor und starrte hinauf zum Dachboden. Es schien ihnen so, als sei ihr vierbeiniger Freund durch irgendetwas, das sich über der Falltüre befand, aufmerksam geworden.
"Nanu, was ist denn bloß mit Schnappi los?", wunderte sich Daniel. "Weiß auch nicht", meinte Adam und sah nun Paul an. So, als würde er von ihm erwarten, dass er die richtige Antwort darauf wüsste. Daraufhin meinte Paul: "Was schaust du mich da so an? Denkst du, ich weiß, was Schnappi denkt? Aber vielleicht hat er ja eine Maus auf dem Dachboden gewittert", und musste dabei über seine eigene Aussage schmunzeln. "Was, eine Maus?", grinste Daniel zurück. "Schnappi ist doch keine Katze. Aber gut, in einem fremden Haus gibt´s eben immer irgendetwas, auf das ein Hund reagiert", glaubte er jetzt das Verhalten von Schnappi zu deuten. Die drei Detektive wunderten sich aber nicht mehr lange darüber, stiegen die knarrende Treppe wieder hinunter zum erdgeschoss und hinaus in den Hof, um den eltern beim Ausladen zu helfen. Schnappi ließ nun vom Dachboden ab und sauste seinen drei Freunden hinterher.
Nachmittags war der LKW abgeladen und die einzelnen Möbelstücke in den jeweils dafür vorgesehenen Zimmern verstaut. Auch die schon leicht abgenützten Holzbetten und Schränke im Obergeschoss waren schnell aufgestellt. Natürlich mit Hilfe des Vaters, und nachdem die Mutter erst sämtliche Schlafzimmer von den Spinnweben befreit und die Böden feucht durch gewischt hatte.
Es ging jetzt nur noch darum, im Erdgeschoss den Schrank im elterlichen Schlafzimmer aufzustellen. Während Daniel die Rückwand fest an die linke Seite des Schrankes dranhielt, und Adam an der rechten Seite, hämmerte Vater Halsbruch schwungvoll die Nägel hinein. Und als der Schrank fachmännisch aufgestellt dastand, eilten die drei Detektive und Schnappi hinauf in ihr Zimmer.
Daniel besetzte sogleich das mit Holz umrahmte Bett neben der Schlafzimmertür, denn da war die Kälte nicht ganz so gemein spürbar. Was für Adam und Paul bedeutete, dass sie sich mit dem Liegeplatz gegenüber dem defekten Fenster, durch das der eisige Wind wehte, begnügen mussten. Paul hatte aber kein Problem. Nur Adam war nicht ganz damit einverstanden.
"Das hab ich mir schon gedacht, dass Daniel sich das Bett neben der Tür aussucht", murmelte er mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck vor sich hin. Daniel grinste darüber nur. Es gab aber unter ihnen deswegen keinen Streit. Schließlich waren sie drei Brüder, die sich gut verstanden. Na ja, oder fast immer gut verstanden, denn Meinungsverschiedenheiten gab es manchmal auch zwischen ihnen. Meistens ärgerte sich Adam über Pauls freche Sprüche.
Der einzige aber, der sich in allen drei Betten wohlfühlte, war Schnappi. Einmal machte er sich in dem Bett von Adam gemütlich. Wenige Minuten später in dem Bett von Daniel. Danach auch in der Liegestätte von Paul, wo er dann auch schlussendlich liegen blieb. Denn Schnappi wusste, dass den Jüngsten die Haare, die ein Hund nun mal verliert, auf seinem Bett nicht störten.
"Habt ihr bemerkt, dass es im ganzen Haus kein Klo gibt?", fragte Paul.
"Ja ja", grinste Daniel. "Nur ein Plumpsklo, das steht draußen neben der Scheune".
"Das heißt, wir müssen unser Geschäft im Kalten verrichten. Tja, da werden wir unser warmes Klo in der alten Wohnung schon bald vermissen", schniefte Adam unzufrieden.
Jetzt ging es darum, die Wäsche in die Schränke einzuräumen. Dies besorgte natürlich Mutter Halsbruch selbst. Ihre saubere und gut zusammengefaltete Wäsche durfte ja auch immer nur sie in die Hände nehmen. Was den drei Detektiven gerade recht war. Denn mit Wäsche einräumen hatten sie nämlich so gar nichts im Sinn. ihrer Meinung nach war dies ja sowieso nur etwas für Mädchen. Sie aber waren Jungs. Und außerdem erfolgreiche Detektive!
Die Dunkelheit brach langsam herein, als Vater Halsbruch den Umzugswagen zurück in die Stadt fuhr. Er hoffte nämlich, wenn er den LKW früher zurück brächte, als vertraglich festgelegt, könnte er dadurch etwas Geld sparen. Denn die Halsbruchs waren nicht gerade das, was man reich nennt. Als LKW-Fahrer, der er war, verdiente man nicht viel Geld.
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